Wanderer blickt ins Auge der Liebe

Einmal mehr hoher Besuch im Hause Wanderer: Anlässlich des Nachdrucks seines berühmten Buches »Das Auge der Liebe« hat uns der Schweizer Fotograf René Groebli besucht. Wir ziehen den Hut vor so viel Agilität und Klarheit im Alter von 87 Jahren und wünschen uns eine ähnliche Konstitution mit so viel Lenzen auf dem Buckel.

René Groebli hat viele spektakuläre Fotowerke geschaffen, sein Buch »Das Auge der Liebe« wurde bei der Erstveröffentlichung im Jahre 1954 jedoch eher als Reinfall bewertet. Das fotografische Liebesgedicht an seine Frau Rita erhielt von Kritikern in Europa wenig Zuspruch, wurde gar verrissen oder als pornografisch bezeichnet. Die Welt war noch nicht bereit für René Groebli. Das Werk entfaltete seine Wirkung erst mit fortlaufender Zeit und gehört mittlerweile zu den großen Klassikern des Fotobuchs.

René Groebli hat die Aufnahmen für »Das Auge der Liebe« während seiner verspäteten Hochzeitsreise mit seiner Frau Rita in Frankreich fotografiert. Spärlich möblierte Hotelzimmer, Spiegel, Betten, Fensterblicke, Wein und Zigaretten – und seine Frau. Aber das sind ja nur ein paar Fakten. Intensiver, prickelnder, verführerischer, intimer als »Das Auge der Liebe« kann eine Bildgeschichte nicht sein. Die ganze Wucht des Mysteriums, das wir Liebe nennen – die Sehnsucht, das Verlangen, die Körperlichkeit, die Erfüllung, der Schmerz – ist hier verdichtet in einer grandiosen Sequenz, die Moment, Tag oder Ewigkeit sein kann.

Die anfängliche Kritik ist längst vergessen, das Werk hat überdauert. Für alle Liebenden, Sehnsüchtigen, Suchenden, Verzweifelten.

Interessant für uns war es, ein Buch von 1954 möglichst originalgetreu nachzudrucken. Bereits 2002 ist ein sehr berühmter Drucker damit mehr oder weniger durch die Herstellung einer lieblosen Ausgabe gescheitert.

Die größte Herausforderung stellte für uns der aus Pergamin bestehende Schutzumschlag dar. Zum einen ist es schon schwierig, Pergamin heute überhaupt zu bekommen, zum anderen wünschen wir allen Kollegen viel Spaß bei dem Versuch, das Zeug durch eine moderne Druckmaschine zu jagen. Aber wir haben es geschafft und freuen uns, dass René Groebli mit dem Ergebnis sehr zufrieden ist.

— Fotos von Groebli in Bad Münder: Reto Caduff